26. Freundschaftstreffen in St. Dié in den Vogesen

des Foyer Esqimaux mit der DAV-Sektion Wangen

St. Dié, die moderne Kleinstadt in den Westvogesen, war der Ausgangspunkt des diesjährigen DAV-Freundschaftstreffens mit der Wandergruppe der französischen Partnerstadt La Garenne Colombe.

Eine gute Wahl! Schon die Anfahrt von Osten durch den Vogesen-Regionalpark über die alten berühmten Städte Colmar, Kayserberg und den Paß Col du Bonhomme war die beste Einstimmung auf elsässische Landschaft und Kultur pur! St. Dié selbst liegt in dem weiten Tal der Meurthe, einem Nebenfluß der Mosel, inmitten einer sanft hügeligen Landschaft aus rotem Sandstein.

Am ersten Nachmittag stand die Besichtigung des noch voll funktionsfähigen historischen Sägewerkes Lancoir im Straituretal auf dem Programm: in diesem zauberhaften, stillen Seitental der Meurthe gab es zu früheren Zeiten eine florierende Forstwirtschaft mit zahlreichen von Holzturbinen angetriebenen kleinen Sägewerken an eigens eingerichteten Stau-Hydranten. 1953 wurde "wie durch ein Wunder" bei der Versteigerung des unrentabel gewordenen staatlichen Betriebes samt Wohnhaus des letzten Sägers dessen winziges Gebot aus Mitleid von niemandem überboten, so daß er bleiben konnte. Später von einer gemeinnützigen Initiative sorgfältig renoviert, dient das Sägewerk heute zur Anschauung für heimatkundlich Interessierte.

Die anschließende Rund-Wanderung auf dem Sagard-(Säger-)Weg war beinahe zu kurz, so romantisch war der lichte Waldweg dem Bach entlang!

Den Freitag-Vormittag verbrachten wir - wieder bei strahlendem Sonnenschein - im Nachbarort Raon-l´Etappe, wo anhand einer  anschaulichen Gemäldesammlung im Rathaus die damals wohl spannende Geschichte der Baumstamm-Floße und Holzversteigerungen von sich gegenseitig überbietenden Führern wortreich erklärt wurde. Das ganz außergewöhnliche Soldatendenkmal – man könnte es vielleicht "letztes verzweifeltes Aufgebot mit Pistole als einziger Bewaffnung" nennen – hat sicher für uns, die wir nicht die blutigen Schlachten des 1. Weltkrieges vor der Haustüre erleben mußten, eine andere Bedeutung als für die Lothringer. Noch ein geführter Stadtrundgang - dann aber gings hinaus in dieses heute überwiegend den Wanderern und Spaziergängern vorbehaltene wunderschöne Naturschutzgebiet!

Nach einem Picknick am Stausee bei Celles-sur-Plaine, wo sich auch die Vermißten (Bernhard und seine Mitfahrer) zu Michels großer Erleichterung wiederfanden, teilten wir uns auf. Angesichts des fortgeschrittenen Nachmittags entschieden sich relativ Viele gegen die 14 km lange Wanderung im Forêt du Val, die aber allen, die doch noch die 600 Höhenmeter bergauf, bergab durch den Wald marschierten, sehr gut gefallen hat.

Der geheimnisvolle riesige Stausee Lac de Pierre-Percée mit seinen unzähligen Kraken-Armen war die willkommene Alternative für die "Genießer": ganz von Wald umgeben und nur von wenigen Stellen aus zugänglich, liegt der nie ganz einsehbare, an verschiedenen Stellen bis zu 80m tiefe See verborgen, an dem sich der schmale Weg immer in Sichtweite zum Wasser entlang schlängelt. Für die 32-km-See-Umrundung war es natürlich zu spät, aber in kleinen Gruppen, je nach Lust und Laune weiter oder weniger weit, war diese scheinbar ins Unendliche führende Waldwanderung ein unvergeßliches Erlebnis. Außer Vogelgezwitscher war kein Laut zu hören: keine Autos, keine Motorboote, keine Wasserski-Fahrer. Aus Übermut überlegten wir allerdings, ob wir nicht mehrere Ruderboot-Leihstationen einrichten sollten für interessante Abkürzungen des Rückwegs?

Bis die "Tapferen" zurückkehrten, war noch reichlich Zeit für einen Besuch in der Sauna und dem Schwimmbecken. Oder zum gemütlichen Reden, manchmal mit Wörterbuch, manchmal mit vielen pantomimischen Erklärungsversuchen. Denn wie immer wird man nach einem Tag mutiger, sich in der fremden Sprache auszudrücken, fängt wieder an, Fragen zu stellen und von der Zeit seit dem letzten Treffen zu erzählen. Das Familienhotel war dafür hervorragend geeignet mit der einladenden Terrasse, der Bar und Lounch, wo man sich traf oder einfach "dazu setzen" konnte! Ein ganz großes Plus!

Auch am Samstag waren wir von der Sonne verwöhnt, als wir wieder in zwei Gruppen, diesmal direkt vom Relais Cap France La Bolle aus, zu den Wanderungen Richtung Le Kemberg im Südwesten bzw. La Madeleine im Nordosten aufbrachen. Beide Wege führen durch Mischwald, immer wieder an Bachzuläufen zur Meurthe entlang zu den sanft ansteigenden roten Sandstein-Erhebungen südlich von St. Dié. Zielpunkt der längeren Wanderung auf dem Chemin Forestier war La Roche St.Martin, ein Rundum-Aussichtspunkt von breiten Felsnadeln, die bequem über Stufen zu besteigen waren und sich bestens zu "Wasser-Segnungen" von oben, natürlich durch Hubert und natürlich auf die schönen Frauen, eigneten. Hier wollte man einfach bleiben. Sitzen, schauen, vespern, einen Schluck trinken, die klare Luft und die Stille ringsum genießen. Zu den glücklichen Erinnerungen dazu zählen.

Der Weg zurück war nicht weniger schön, nur: gutes Zeichen! er schien zu schnell zu Ende!

Aber auf uns wartete ja nach dem Mittagessen die Stadtführung in St. Dié mit Besichtigung von Kathedrale, gotischem Kreuzgang und Liebfrauenkirche (Eglise Notre Dame de Galilée) sowie des modernen neuen Wahrzeichens der Stadt: der "Freiheitsturm".

Sehr komfortabel (im eigens für uns gemieteten Bus) und kurzweilig (mit zwei launigen und gut improvisierenden Führern) lernten wir die Besonderheiten dieser in beiden Weltkriegen so gnadenlos zerstörten Stadt kennen, deren Mittelpunkt immer noch die wieder aufgebaute romanisch-gotische Kathedrale aus dem 13./14. Jhd. – oder, je nach Betrachtungsweise – die 8oo Jahre alte Linde direkt daneben ist. Von den ursprünglichen typisch romanischen Kapitellen mit Tier- und Phantasiegebilden im Innern sind einige sehr schöne erhalten. Die modernen Glasfenster gliedern sich erstaunlich gut ein. Im vierseitigen romanischen Kreuzgang wurden wir auf die steinerne Kanzel aus dem 15. Jhd. hingewiesen, die tatsächlich sehr befremdlich wirkt, so als sollte jemand von erhabener Position aus im Geviert angetretene Truppen sammeln können. Wir jedenfalls machten es uns im Schatten des Kreuzrippengewölbes gemütlich, bis wir die bestechend homogene romanische Liebfrauenkirche mit dem neugotischen Madonnenaltar besichtigen konnten.

Den Freiheitsturm, 1989 in Paris in den Tuilerien zur 200-Jahrfeier der Französischen Revolution aufgebaut und danach nach St.Dié verbracht, konnten wir nur von außen bewundern, denn wegen eines Groß-Feuerwerks am Abend war das Gelände gesperrt und die überall befestigten Feuerwerksbündel und Maschinerien vermittelten selbst den Eindruck einer bevorstehenden bewaffneten Revolution! Das aus Eisenträgern, Kabeln und Tuch gebaute lichte Gebäude ist wirklich beeindruckend und sehenswert! Eine Mischung aus Lilienthal´schem Gleitfluggerät und Kanzleramt: durchsichtig, durchlässig, verletzlich. Und die Vorfreude-Stimmung ringsum war wohltuend-ausgelassen! Leider fand unsere bescheiden vorgetragene Bitte, das Riesen-Feuerwerk doch uns – oder zumindest Anja - zuliebe auf später in der Nacht zu verschieben, so daß wir es nach unserem festlichen Abendessen miterleben könnten, kein Gehör…

Denn dafür war schon alles arrangiert, als wir uns nach der Besichtigung "feingemacht" hatten.

Man könnte annehmen, die "obligaten" Reden zum gegenseitigen Dank, diesmal vor allem an Anne-Marie Latus und Michel Pinson, die die sorgfältig ausgeklügelte Organisation mit Bravour übernommen und alles im voraus getestet und überprüft hatten, sei irgendwann Routine, aber nein: jeder spürt, die Worte kommen von Herzen und werden auch so verstanden, wenn die Vorstände, Annik Süss und Hubert Weber sich auf deutsch bzw. auf französisch bei allen Helfern bedanken und ihre Hoffnung auf ein Wiedersehen ausdrücken! Wir deutschen Gäste wurden darüber hinaus kostbar beschenkt mit echten Leinen-Kochschürzen und T-Shirts. Es gab viel zu lachen, auch an diesem Abend!

Beim typisch elsässischen Menü mit Aperitif und Rotwein setzte sich die entspannte und ausgelassene Stimmung fort und es wurden schon jetzt Pläne geschmiedet für das nächste Treffen.

Die Abschlußwanderung am Sonntag führte noch weiter in der Geschichte zurück, nämlich in ein von Kelten besiedeltes Areal bei La Crenée mit zahlreichen Ausgrabungen, v.a. Stelen; und wer sich dafür nicht so sehr im Detail interessierte, konnte die wieder verwunschen-zauberhafte Landschaft auf dem Rundweg mit Blick auf das Meurthetal und St. Dié aus vollem Herzen genießen. Ein schöner Abschluß!

Wie immer zum Schluß: Umarmungen zwischen Freunden und solchen, die es geworden sind! Vielleicht besonders herzlich der Abschied von den "Neuen", die doch hoffentlich eine für weitere Treffen motivierende Erfahrung gemacht haben! Und wie immer der Vorsatz, wieder Vokabeln zu lernen, dem wie immer die beglückende Erfahrung entgegensteht, daß man sich verständigen kann, wenn man sich versteht!

Und wie immer: Gute Fahrt! Gute Zeit! A bientôt! Au revoir! Nächstes Jahr in Wangen!