So wählten wir Bivio als Standort und von dort aus ging es gleich am ersten Tag zum Ausgangspunkt am Julierpass. In knapp drei Stunden Aufstieg war der Gipfel des Piz d'Emmat Dadaint erreicht. Die Aussicht auf die Engadiner Seen, den Corvatsch, die Bernina, ins Bergell und die Berge des Albulas war dank der beständigen Hochdrucklage einfach umwerfend. Dazu kam, dass die Lawinengefahr seit Tagen nur sehr gering war — also beste Voraussetzungen, Touren zu planen, die etwas extravaganter erscheinen — sofern Kondition und Können der Teilnehmer dies zulassen.
Also war am ersten Gipfel noch nicht Schluss. Nach einer kurzen südseitigen Abfahrt peilten wir den Piz Grevasalvas an. Von dessen Gipfel wieder eine beeindruckende Rundsicht und auch einen umfassenden Blick auf das Abfahrtsgelände bis nach Bivio. Nur der Einblick in den ersten Steilhang blieb uns vom Gipfel aus verwehrt — und das war vielleicht auch gut so. Denn bei der Einfahrt in den sehr steilen Hang war klar, dass höchste Konzentration und sichere Skiführung erforderlich ist. Im weiteren Verlauf der Abfahrt erhoffte ich mir in einer nordseitigen Mulde noch Pulverschnee anzutreffen, doch enttäuscht musste ich feststellen, dass er durch Windeinfluss ziemlich verfestigt war. Wenig später fanden wir aber dann doch noch einzelne Pulverschneehänge bevor wir auf dem gespurten Skiwanderweg in genüsslicher Fahrt Bivio erreichten.
Am zweiten Tag war wiederum der Julierpass Ausgangspunkt für die Tour zum Corn Chamuotsch. Durch das bereits von der Sonne beschienene Valetta dal Güglia führte der Anstieg hinauf zur Fuorcla Güglia. Nach kurzer Vesperpause erklommen wir noch den Corn Chamuotsch mit wiederum fantastischer Aussicht auf die umliegenden Berge, ganz nah der Piz Julier und hinüber zum Skigebiet des Piz Nair. Mit großer Spannung erwartete ich die Abfahrt durchs Val Murezzan nach Champfer — und diesmal wurde ich nicht enttäuscht: Durch herrliche Pulverschneehänge zogen wir unsere Spuren hinunter in den Talgrund. Und es lag auch noch ausreichend Schnee, so dass wir bis kurz vor Champfer mit den Skiern abfahren konnten.
Am letzten Tag besuchten wir den Hausberg von Bivio.
Zunächst wieder auf dem Winterwanderweg, dann führt der Anstieg zum Roccabella bis ca. 2500 m Höhe in angenehmer Steigung und nur die letzten 200 Höhenmeter über die Südflanke sind steiler. Dank seiner exponierten Lage ist dieser Berg wieder ein Magnet für alle, die eine tolle Aussicht genießen wollen. Dank der günstigen Lawinensituation erfolgte die Abfahrt durch ein nordseitig ausgerichtetes Couloir — wiederum mit Pulverschnee — hinunter zur Julierpassstraße und auf einem Skiwanderweg zurück nach Bivio.
Hubert Weber