Das unsichere Wetter hielt doch einige der 15 angemeldeten Teilnehmer zurück, so dass wir mit Rainer Willibald als Leiter, 9 Teilnehmern und Hannes Aschauer als geologischen Experten nach Bartholomäberg bei Schruns mit zwei PKW anreisen konnten. Bei Bludenz war alles noch reichlich nass vom Regen, der gerade aufgehört hatte. Aber es war klar, dass wenigstens bis 14.00 Uhr das Wetter gut werden sollte.
Zuerst gab es auf dem Parkplatz eine herzliche Begrüßung und dann von Hannes Aschauer eine kurze Einführung in die Begriffe Erdkruste und Erdmantel, Kontinentalverschiebung und Gebirgsbildung bei Plattenkollisionen. Danach war allen Teilnehmern bewusst, dass das heute bestehende Gebirge zwischen Silvretta und Bregenz das Ergebnis einer über viele Jahrmillionen andauernden Übereinanderschiebung, Verfaltung und gleichzeitiger Abtragung großer, oft mehr als einige Kilometer dicker Gesteinspakete ist. Und aus diesen Gesteinspaketen - den sogenannten Decken - hatten wir heute vor, die Schichtfolge der nördlichen Kalkalpen vom Silvrettagneis bis zum Hauptdolomit kennen zu lernen.
Los ging es in Richtung Rellseck über bunt blühende Wiesen durch die Maiensäss-Landschaft des Montafons. Das Gestein verbarg sich unter der üppigen Vegetation und erst nach einiger Strecke schaute es unter den prächtigen Bergwiesen als Gneis und Glimmerschiefer heraus. Neben einer erklärenden Tafel konnte Hannes weitere Details zum Silvrettakristallin als Urgestein erklären und auf den früheren Bergbau im Silbertal hinweisen. Hilfreich war die inzwischen wunderschöne Aussicht auf die Silvrettaberge, das Rhätikon mit Sulzfluh, Drei Türmen und Drusenfluh und weiter über den Golm bis zur Zimba. So konnte erklärt werden, wo überall der Gneis unter der Vegetation bzw. in den Gipfeln auftritt und wo sich die Schichten der nördlichen Kalkalpen darüberlegen.
Schon bald ging die Straße in einen Wanderweg über und in einem kleinen Aufschluss konnte man sehen, dass auf dem Gneis andere Schichten zur Ablagerung gekommen sind. Dies sind meist grobkieselige Schichten, die in der erdgeschichtlichen Periode „Karbonzeit“ vor weit mehr als 300 Millionen Jahren in Tälern der Gneislandschaft von Flüssen abgelagert worden sind. Und in dieser Zeit wuchsen große Pflanzen, deren abgestorbene Reste sich in großen Schichten übereinander lagerten und später zu Steinkohle wurden. In nördlichen Kalkalpen Alpen finden sich allerdings keine Steinkohleschichten sondern nur vereinzelt Reste dieser farnartigen Pflanzen.
Über diesen ältesten Ablagerungen folgt der alpine Buntsandstein, eine mehr als 200 m starke Schicht aus rotem Sandstein, der am Wanderweg nur in wenigen kleinen Aufschlüssen zu finden, an der Straße nach Bartholomäberg jedoch auf weite Strecken in den Felsböschungen prächtig anzusehen ist. Hier sieht man auch sehr deutlich, dass die Schichten nicht wie ursprünglich abgelagert eben übereinander liegen, sondern wie alle Schichten im Südhang von Bartholomäberg steil nach Norden einfallen. Hannes erklärte, dass der Buntsandstein in einem wüstenartigen Klima in einer Zeit zwischen 225 und 215 Millionen Jahren, also in der erdgeschichtlichen Periode „Triaszeit“ als älteste Einheit der Kalkalpen entstanden ist. Wieder half der Blick zu Golm und Rellstal die Verbreitung und Lagerung des Buntstandsteins im Gebirgszug nachvollziehen zu können.
Bis kurz vor dem Alpengasthof Rellseck wanderten wir weiter im gut unter der Vegetation versteckten Buntsandstein, um dann auf kalkiges Gestein zu stoßen. Hannes erklärte, dass über dem Buntsandstein die Reichenhaller Schichten folgen. Im Montafon werden sie auch Punt-la-Drossa Schichten genannt und bestehen typischerweise aus löchrigem Dolomit. Dieses Gestein entstand in sehr flachem Meerwasser mit sehr hohem Salzgehalt, wobei das Mineral Gips zur Ausfällung kam. Wenn dieses Gestein an der Erdoberfläche ansteht, wird der Gips vom Regenwasser wieder aufgelöst und es entstehen die löcherigen Hohlräume. Und über den Reichenhaller Schichten kommen dann die dunkelgrauen Kalkbänke des alpinen Muschelkalks zum Vorschein. Dieser Kalk ist zur mittleren Trias in einem reichhaltig belebten Meer entstanden und eröffnet dem Sammler von Fossilien zahlreiche Fundstellen.
Wir wanderten zunächst an der schönen Kapelle und am Gasthof Rellseck vorbei über Alpwiesen durch eine Rinderherde und waren dann froh, im satten Wiesengrün den nächsten Aufschluss mit den Partnachschichten zu entdecken. Hier stehen zwischen dunkelgrauen Kalkbänken überwiegend dünnblättrig zerbröselnde, schwarze Mergelsteine an. Die Tatsache, dass dieses Gestein genauso alt ist, wie der feste Kalk im Wettersteingebirge, erstaunte die Teilnehmer der Gruppe. Hannes konnte erklären, dass es zur Mitte der Trias-Periode zu gleicher Zeit flache Meeresgebiete und tiefe Meeresbecken gab. In den Flachwasserzonen bildete sich fester Kalkstein und in den Meeresbecken bildete sich der Mergelstein. Im Gebiet zwischen Rheintal und Arlberg kommen nur die Partnachschichten vor und der Bergsteiger kann hier leider nicht im festen Wettersteinkalk klettern.
Nachdem wir nun schon knapp 2 Stunden unterwegs waren, wurden die Partnachschichten kurzerhand als idealer Platz für eine Trinkpause erklärt und dann begann der weitere Anstieg über eben diese Schichten durch prächtige Bergflora hinauf Richtung Wannaköpfle.
Kurz vor der Gipfelregion änderte sich die Gegend und war durchsetzt von zahlreichen kleinen Senken und Wannen. Vielleicht kommt der Name Wannaköpfle auch daher. Der Grund für diese Änderung bestand darin, dass über den Partnachschichten die vor 205 Millionen Jahren abgelagerten Raibler Schichten anstehen und somit die Gesteinsfolge der oberen Trias erreicht wird. Typisch für die Raibler Schichten ist eine Wechsellagerung von Sandstein, Tonmergel und Dolomit. Im Dolomit befinden sich Gipslagen, die vom Regenwasser ausgelaugt werden und die vielen kleinen Wannen bilden. Beim Blick nach Westen ins Rellstal hinein fällt auf, dass nördlich des Tals zunächst in einem Höhenrücken die festeren Gesteine des Muschelkalks und der Partnachschichten anstehen und dann vor der Zimba und Vandanser Steinwand eine durch Erosion tief ausgeräumte Rinne kommt. Hier finden sich die Raibler Schichten wieder. Und die Gipsschichten werden dort immer dicker, so dass sie im Bereich der südlich der Zimba liegenden Heinrich-Hueter- Hütte in sehr großen Gipsdolinen ausgelaugt werden und sogar schon einmal als Rohstoff zum Abbau vorgesehen waren.
Am Wannaköpfle erreichten wir dann den Übergang der Raibler Schichten in den Hauptdolomit, einer sehr mächtigen Gesteinsfolge, die in relativ kurzer Zeit zwischen etwa 200 und 195 Millionen Jahren vor heute in einem flachen Meeresgebiet entstanden ist. Wie mächtig diese Schicht ist, kann in der sehr hohen Vandanser Steinwand erkannt werden.
Bei der Gipfelrast auf dem Wannaköpfle ging der Blick weiter zum Itonskopf, der ebenfalls aus Hauptdolomit aufgebaut ist. Nördlich daran anschließend folgen mit den Kössener Schichten und dem Rhätkalk weitere Schichten der oberen Trias. Aber deren Erforschung wäre dann schon eine weitere Exkursion wert, z.B. im Bereich der Biberacher Hütte.
Nachdem das Regenradar für 15 bis 16 Uhr eine große Gewitterzelle ankündigte und auch die Wolkenbildung diese Entwicklung deutlich vorhersagte, entschlossen wir uns zum Abstieg durch die Lawinenverbauungen über die Südflanke des Wannaköpfles und weiter zum Alpengasthof Rellseck, wo noch bei Sonne Einkehr gehalten wurde.
Auch der weitere Abstieg nach Bartholomäberg gelang bei immer weniger werdender Sonne und immer stärker werdendem Wind noch trocken, so dass wir uns von Hannes mit der Hoffnung auf weitere Wanderungen mit Geologie, gepaart mit Berg- und Naturgenuss dankbar verabschieden konnten. Kurz vor Donbirn kam dann der große Regen, aber das war dann auch schon egal…